Rezensionen
Michael Hudson (2003), Super Imperialism. The origin and Fundamentals of U. S. World Dominance, London (416 Seiten, broschiert, Pluto Press)
»Der Dollar ist unser Geld, aber Euer Problem«, so wird die Einstellung der US-Regierung zur globalen Rolle der eigenen Währung gerne zitiert. Und tatsächlich scheint es so, als hätten vor allem die anderen Länder Probleme mit der US-Währung. Wertet der Dollar kräftig auf, wie zuletzt 1999 / 2000, so importieren die anderen Länder Inflation. Wertet der Dollar dagegen ab, so kommen die Exporte der anderen Industrieländer unter Druck.
Nur die USA scheint dies alles wenig zu stören. Müssen sich andere Länder über die Außenstabilität ihrer Währung Sorgen machen, war es für die Vereinigten Staaten über Jahrzehnte selbstverständlich, praktisch jedes Leistungsbilanzdefizit mit Leichtigkeit finanzieren zu können. Selbst militärische Unternehmen wie den Vietnamkrieg (oder den Irakkrieg) mussten die USA nicht über höhere Steuern oder Einschnitte bei den sonsti gen Staatsausgaben finanzieren, sondern konnten sich mit Leichtigkeit die notwendigen Mittel auf dem internationalen Kapitalmarkt besorgen.
Michael Hudson zeichnet in seinem Buch »Super Imperialism« auf, wie es zu einer solchen Dominanz der US-Währung im globalen Finanzsystem kommen konnte, und wie die USA gezielt ihren Einfluss bei der Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzten, um dieses Ergebnis zu erzielen.
Hudson beginnt seine Darstellung mit den Kriegsschulden des Ersten Weltkriegs und der Debatte in den USA, inwieweit den Alliierten Konzessionen bei der Bedienung ihrer Schulden gemacht werden sollen. Detailliert zeigt er auf, wie die Handelspolitik der USA und eine neue Welle des Protektionismus in der Zwischenkriegszeit es den Europäern praktisch unmöglich machen, die Dollar (bzw. das Gold) zu erwirtschaften, die notwendig gewesen wären, um ihre Kriegsschulden zu bezahlen. Er beschreibt, wie der Default der Alliierten weiter in die Weltwirtschaftskrise führt und wie Präsident Franklin D. Roosevelt den Dollar gegenüber den Währungen des Goldstandard-Blocks abwerten lässt und sich mit dem Hinweis, dass die inländischen Probleme der US-Wirt-schaft vorgingen, gegen eine schnelle Stabilisierung des Dollars ausspricht.
Spannend für die heutige Architektur des globalen Finanzsystems sind die Kapitel über die Verhandlungen in Bretton Woods und über die Nachkriegsjahre. Hudson be schreibt, wie die US-Regierung die neu zu schaffenden Institutionen dazu benutzte, die Sowjetunion und ihre Verbündeten zu isolieren, und wie sich die US-Regierung gegen ihre Alliierten durchsetzt, den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank nach Washington statt nach New York zu holen. (Die Briten hatten New York als Standort vorgezogen, um die Institutionen der politischen Einflussnahme Washingtons zu ent ziehen. In London war man der Meinung, dass für die eigenen Interessen eine Nähe der
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Institutionen zu den Finanzmärkten zielführender sei als die politische Einflussnahme der USA.)
Hudson zeigt im Folgenden auf, wie die USA von 1952 an die Weltbank für ihre eige-nen außenpolitische Zwecke benutzt und wie es gelingt, dass der Zahlungsbilanzeffekt der Weltbankkredite an die Dritte Welt für die USA sogar positiv ist. Die Institutionen von GATT, Weltbank und IWF verfolgen danach laut Hudson vor allem ein Ziel: die Hegemonie der USA zu sichern. So ist es laut Hudson nur folgerichtig, dass die Welt-bank lange Zeit Schwellen- und Entwicklungsländern riet, ihren Exportsektor vor allem im Rohstoffbereich zu stärken, gleichzeitig aber Landreformen und damit die Produk-tivitätssteigerung in der Landwirtschaft vernachlässigt. Hudson interpretiert dies als Strategie, um den USA die günstige Versorgung mit Rohstoffen zu sichern, während gleichzeitig Märkte für die landwirtschaftliche Überschussproduktion der USA gesi chert werden sollten.
In der Krise des globalen Finanzsystems, die Anfang der 1970er Jahre auf die im-mensen, durch den Vietnamkrieg verursachten Zahlungsbilanzdefizite der USA folgt, benutzen die USA laut Hudson die Tatsache, dass die US-Staatsanleihen zur Weltreserve-währung geworden sind, gegenüber dem Rest der Welt als Druckmittel: Ein Default der US-Regierung auf Auslandsschulden hätte demnach eine globale Finanzkrise hervorge rufen, weil die Weltreservewährung auf einen Schlag wertlos geworden wäre. So blieb den anderen Industrieländern kaum etwas übrig, als sich dem Willen der USA zu beugen.
Besonderes Gewicht bekommt Hudsons Buch dadurch, dass der Autor keiner der üblichen Globalisierungskritiker mit ökonomischem Halbwissen ist, deren Bücher in den vergangenen Jahren in die Buchhandlungen strömten. Michael Hudson ist vielmehr aus gewiesener Finanzexperte: In den 1960er Jahren arbeitete er als Volkswirt für die Chase Manhattan Bank und Arthur Anderson und analysierte im Auftrag der Unternehmen internationale Kapitalströme. Heute ist er Wirtschaftsprofessor im mittleren Westen der USA. Das Buch ist gründlich recherchiert und voller Details. Die Vorwürfe des Ökonomen an die US-Politik sind deshalb alles andere als leicht von der Hand zu weisen.
Sebastian Dullien, Financial Times Deutschland